Wenn jemand zu dir sagt, dass er auf (und nicht in) den Keller geht, dann weißt du, dass du in Franken angekommen bist. Damit ist aber nicht der gemeine Keller des Hauses gemeint, sondern ein ganz besonderer Keller, ein Bierkeller. Dieser liegt von alters her meist außerhalb der Ortschaft, oft am Rand des Waldes, manchmal auch mitten im Wald versteckt. Sie dienten den Brauern als Lagerstätte für ihr Bier, damals, als es noch keine Kühlschränke gab.
Der Sandstein, der hier rundum in den Wäldern zu finden ist, ist gleichzeitig weich und hart genug, um darin Keller zu graben. Im Winter wurde die Eisgrube im Keller mit Eis gefüllt, die Menge hielt den ganzen Sommer lang das Bier kühl. Am Sonntagnachmittag kamen die Familien hierher, machten Picknick – und der Wirt schenkte praktischerweise gleich sein Bier hier aus, statt es bis zur Wirtschaft in den Ort zu karren.
Bis heute ist es erlaubt, dass jeder Gast sein eigenes Essen auf den Bierkeller mitbringt, solange er die Getränke vom Wirt kauft. Wer wissen will, ob der Bierkeller geöffnet hat, braucht nicht einmal aus dem Auto aussteigen: Ist das Lokal geöffnet, hängen große Fahnen am Wegrand.
Die meisten bewirtschafteten Bierkeller befinden sich in den fränkischen Landkreisen Höchstadt an der Aisch, Bamberg und Forchheim. Hier liegen zwischen einem Bierkeller und dem nächsten Bierkeller oft nur wenige Kilometer. Die Kellersaison beginnt jedes Jahr, wenn es wieder warm genug ist, um draußen zu sitzen. Das kann im April, aber auch ab Mai sein. Dann ziehen die Franken in Scharen auf ihre Keller, trinken ihr Bier und genießen ihre Brotzeit.
An meinen ersten Bierkellerbesuch kann ich mich noch sehr gut erinnern. Wir fuhren Ende der 60er mit dem Kugelporsche meines Vaters Richtung Höchstadt an der Aisch. Vier von uns Brüdern saßen auf der Rücksitzbank dicht an dicht gezwängt. Hinter der Rücksitzbank befand sich noch ein Staufach, das wir liebevoll Babykasten nannten. Dort hatte der kleinste von uns fünf Jungs seinen Platz. Nachdem wir alle hinten im Auto verstaut waren, ging es los. Für eine kurze Strecke war alles kein Problem. War die Fahrt jedoch länger, schliefen dem Bruder im Babykasten die Beine ein und das konnte eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit sein.
Aber an diesem Tag wir fuhren ja nur bis zum Weppersdorfer Keller. Dieser liegt zwar weit außerhalb von der nächsten Ortschaft mitten im Wald, aber nur ein paar Autominuten von meinem Elternhaus entfernt. Wir durften uns ungestört im Wald austoben, während die Eltern ihre Ruhe hatten. Meistens spielten wir Fangen und jagten uns gegenseitig durch den Wald. Gelegentlich schnitzten wir Stöcke, Schwerter oder Lanzen aus den herumliegenden Ästen und fochten damit Kämpfe aus. Manchmal verletzten wir uns auch damit, doch das verheilte schnell wieder. Glücklicherweise hatte unsere Mutter immer einen Verbandskasten dabei, wenn sie mit uns aushäusig unterwegs war. Auf dem Weppersdorfer Keller hatten unsere Eltern das Essen dabei, sie selbst tranken Bier und wir bekamen Orangenlimonade oder Schapeso, wie die Zitronenlimonade bei uns hieß.
Erst bei späteren Kellerbesuchen bestellten die Eltern noch eine Kellerplatte für uns alle.
Kellerplatte
Auf einer orginal fränkischen Kellerplatte gehören:
1 Scheibe roter Pressack
1 Scheibe weißer Pressack
1 Scheibe Göttinger
1 Scheibe Büchsenfleisch
1 Scheibe roher Schinken
1 Stück Leberwurst
1 Scheibe Emmentaler
1 Senfgurke (Kimmerling)
Senf und Meerrettich
Dazu gibt es oft nur zwei Scheiben Brot, ganz nach dem alten fränkischen Motto: „In der allergrößten Not ißt man die Wurst auch ohne Brot.“
Tipp: Wenn Sie auf einen fränkischen Bierkeller gehen, nehmen Sie ein paar Scheiben Brot mit.