Ich befinde mich gerade auf den Rückflug von Marrokko nach Deutschland und weil das nicht gerade spannend ist und ich heute kein fränkisches Tapas kochen kann, erzähle ich lieber meine Erlebnisse vom gestrigen Tag in Marrakesch. Dabei habe ich tief in die Kochtöpfe und Gargruben der Marrokaner geguckt, für deren Küche ich mich sehr interessiere, da sie einfach gut schmeckt.
Meine Mitbewohnerin und ich sind in einer Hotelanlage außerhalb von Marrakesch untergebracht. Nach dem Frühstück entfliehen wir dem Pauschaltourismustempel mit seinem all-inclusive und fahren mit einem Mercedesbus, der mit Ersatzteilen von mindestens fünf verschiedenen Automarken wieder fahrtüchtig gemacht wurde und älter sein dürfte als ich es bin, an den Rand der Innenstadt von Marrakesch. Die Fahrt als solche ist schon ein Erlebnis, Verkehrszeichen sind hier Empfehlungen und der Zebrastreifen gilt nur für Zebras. So hatte es uns wenigstens der Reiseleiter erklärt. Sämtliches Restrisiko wird mit einem Inschallah (so Gott will) einfach in die Hände Gottes gelegt.
Unser erstes Ziel ist der große weltberühmte Marktplatz Djemaa el Fna. Wir setzen uns in ein Cafe am Rande des Platzes und bestellen “ deux cafe noss noss“. Noss noss ist arabisch und meint halb und halb, halb Milch und halb Kaffee.
Der Platz wird auch Platz der Gaukler genannt: Schlangenbeschwörer, Akrobaten, Wasserträger und Menschen mit Pavianen machen die Touristen auf sich aufmerksam, und wollen marrokanische Dirhams für Fotos.
Bevor wir uns in die Menschenmenge stürzen, trinke ich noch einen frisch gepressten Orangensaft für umgerechnet 40 Cent, dann geht es in die Souks, wie hier die Geschäfte genannt werden. Tausende winzige Läden sind hier einer am anderen, manche gerade einmal schrankgroß. Das Verlaufen ist gewissermaßen vorprogrammiert. Deswegen versuchen wir erst gar nicht, unseren zurückgelegten Weg einzuprägen. In den engen Gässchen überholen uns Mopeds, Eselsgespanne oder Männer mit Lastkarren. Diese fordern unsere Aufmerksamkeit oft mehr als die unzähligen Waren, die es überall gab. Auch wenn die Händler auf den ersten Blick unbeteiligt wirkten, spürten sie sofort, wenn wir irgendetwas auch nur ansahen. Dann winkten sie, grüßten, wollten wissen, woher wir stammen, luden uns ein, die Dinge genauer zu betrachten: „Gucken ist kostenlos!“
Uns bleibt in den meisten Fällen nur die Wahl: Augen geradeaus und weitergehen. Kaum sind wir jedoch vorbei, ist allerdings auch Ruhe – und der nächste Verkäufer an der Reihe. Selbst wenn wir den kleinen Laden betreten haben, um uns die Waren genauer anzugucken, und der Verkäufer einen Schal nach dem anderen ausbreitet, wenn uns nichts gefällt, ließen sie uns immer gehen und verabschieden sich trotzdem freundlich. Jeder scheint schon zufrieden zu sein, wenn er nur seine Waren anbieten kann und Beachtung findet.
Ich rieche den Duft nach gegrilltem Fleisch, kann allerdings nichts finden. Ein Marokkaner wird aufmerksam, sieht, wonach ich suche und führt mich zu einem Loch in Boden, aus dem warmer Geruch nach oben steigt.
Hier werden ganze Schafe in einem großen Ofen aus Lehm gebacken und mit Brot in kleine Portionen zerlegt als Imbiss gereicht.
Die Mitbewohnerin und ich sind neugierig genug und probieren. Es schmeckt sehr lecker und der Geschmack ist einmalig.
Wir lassen uns weiter durch die engen Gassen treiben. Folgen dem weißen Kaninchen, wie meine Mitbewohnerin zu sagen pflegt, wenn wir einfach ohne Ziel unterwegs sind und trödeln. Unser Weg führt uns ins Freie, ein kleiner Platz inmitten der Souks, ganz ohne schützendes Dach. Hier bieten die Gewürzhändler ihre Spezereien an. Ein Händler ist geschickt genug und lockt uns in seinen winzigen Verkaufsladen, der vielleicht eineinhalb Meter breit und zwei Meter lang ist. Nur riechen, sie müssen nichts kaufen, sind seine Worte und schon stecken unsere Nasen in den Gewürzgläsern und atmen die Düfte Afrikas. Wir kaufen für 200 marrokanische Dirhams, das sind umgerechnet etwa 20 Euro 2g echten Safran, und jeweils 100g Harissa, marokkanischen Kreuzkümmel, Cardamon, eine Gewürzmischung Raz el Hanout für Tajinegerichte, marrokanischen Masala und eine Gewürzmischung für Fisch mit Basilikum.
Als wir wieder auf den Marktplatz sind, fängt es an zu regnen. Gegenüber ist ein kleines Cafe, dessen Sonnenschirme aus Stroh Schutz vor der Nässe bieten. Ich bestelle einen Gewürzkaffee, den ich unbedingt probieren muss. Meine Mitbewohnerin will wissen, was darin ist und die freundliche Bedienung verrät uns die Lösung: Cardamon, Zimt und Sternanis.
In dem Cafe gibt es auch was zu essen, das erkenne ich leicht an den Tajinen, welche die vorbeiflitzenden Bedienungen zu anderen Tischen bringen. Die Mitbewohnerin teilt mir mit, dass sie keinen Hunger hat und meint damit, dass ich nicht schon wieder etwas zu Essen bestellen soll. Doch als ich ihr vorrechne, dass wir vor morgen Abend wohl kaum etwas richtiges essen werden, kann sie sich dem Argument nicht verschließen. Also bestellen wir eine Tajine mit Ei und Fleischbällchen, die hier Kefta heißen und einen marrokanischen Burger.
Die Souks sind übrigens wie in Zunftvierteln eingeteilt: Es gibt Gerber, Färber, Lampen, Kleidung, Möbel, Metall, Töpfer. Oft werden die Produkte in winzigen Geschäften nach alter traditioneller Handwerkskunst selbst hergestellt. Zwei Tage zuvor haben wir uns gründlich verlaufen und fragten uns mit Händen und Füßen zum Gauklerplatz zurück. Da so eine Shoppingtour auch dann hungrig macht, wenn wir nichts kaufen, kehren wir am Rand des Gauklerplatzes ein. Die Getränkekarte ist übersichtlich, schließlich gibt es hier keine alkoholischen Getränke. Wir sind schließlich in einem islamischen Land, bestellten zwei Kräutertees und freuten uns, dass wir Tapas dazu bekamen.
Meine Mitbewohnerin bestellte sich Spieße mit Hühnchenfleisch, die hier Brouchettes genannt werden. Ich gönne mir eine Tajine mit Lammfleisch. Alles ist sehr sehr lecker.
Zum Schluss braucht meine Mitbewohnerin noch etwas Süßes und lässt sich ein Omelett mit Honig bringen, von dem sie mir nichts mehr abgibt, nachdem sie es probiert hat.
Als es dunkel geworden ist, wird der Platz richtig voll – und spannend. Doch davon ein andermal mehr.
Vollgefuttert kehren wir zur Hotelanlage zurück. Dort soll es für uns eine halbe Stunde nach Mitternacht Frühstück geben, zwei Uhr ist dann die Abfahrt zum Flughafen.