Wenn ich mich an meine nun schon lange zurückliegende Schulzeit erinnere, spielte besonders das Negerkussbrötchen eine wesentliche Rolle. Der Unterricht dagegen ist irgendwie in meiner Erinnerung deutlich weniger präsent.
Unser Hausmeister war gemeinsam mit seiner Frau für den Pausenverkauf zuständig. Während er an der Kasse saß und die Bestellungen der Schüler entgegennahm, schnitt sie die Brötchen auf und belegte sie nach Wunsch. Auch wenn es belegte Brötchen mit Wurst und Käse gab, reichte unser Geld nur für das mit dem süßen Schaum belegte Brötchen, das damals nur 15 Pfennige kostete.
Als in den 70er Jahren immer mehr Menschen aus Norddeutschland in den Großraum Nürnberg-Erlangen und auch in unser Dorf zogen, störten sie sich an dem Ausdruck Negerkuss und nannten ihn Mohrenkopf. Der Hausmeister belehrte uns, dass Neger ein Schimpfwort ist und wir jetzt Mohrenkopf sagen müssen. Mir war das ziemlich egal: Neger oder Mohren kannten wir nur aus dem Fernsehen oder wenn die Amerikaner im Wald ein Manöver veranstalteten. Wir hatten jedoch nichts mit ihnen zu schaffen und so nahmen wir es achselzuckend hin, dass dieses Wort jetzt ein Schimpfwort sein sollte.
Für uns war weder Neger noch Mohr ein Schimpfwort. Wir kannten dagegen eine ganze Menge andere: Hatte ein Junge etwas angestellt, hieß er „Dunnerkeil“ oder „Hundsgrübbl“. „Dreggsau“ wurde er genannt, wenn er mit Schlamm bespritzt nach Hause kam. „Dreggsagg“ hieß es, wenn einer dem anderen wissentlich einen Schaden zugefügt hat.
Wollten wir die Mädchen ärgern, riefen wir „Greinmaicherla“, so wurden Mädchen genannt, die wegen jeder Kleinigkeit gleich heulten.
Kurze Zeit später galt der Mohr als diskriminierende Bezeichnung für Afrikaner – und so wurde das süße Teilchen jetzt als Schokokuss bezeichnet. Allerdings gab es damals schon längst weder Neger-, noch Mohren- oder Schokokussbrötchen im Pausenverkauf. Die neu ins Dorf gezogenen Menschen wollten, dass ihre Kinder lieber gesundes Essen im Pausenverkauf bekamen. Wir Schüler waren dagegen nicht wirklich davon begeistert, dass wir unser geliebtes Mohrenkopfbrötchen nicht mehr bekamen.