WMDEDGT? Was machst du eigentlich den ganzen Tag?, will die freundliche Frau Brüllen wissen.
Heute säge ich Holz. Ich habe mich schon den ganzen Sommer lang davor gedrückt, es immer wieder von einem Tag auf den nächsten verschoben. Doch irgendwann fiel mir ein, dass uns einmal, als es in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts so richtig kalt war, zu Hause das Holz ausging. Das war nicht sehr schön. Wir freuten uns, wenn wir morgens zur Arbeit gingen. Die Werkhalle war nämlich schön warm. Wollten wir duschen, fuhren wir ins nächste Hallenbad. Da ich das kein zweites Mal erleben möchte, stieg ich heute schon früh aus dem Bett, hielt mich nicht allzu lange mit meinem Kaffee auf und fing an zu sägen.
Das Mittagessen fiel heute aus. Da ich jedoch die Nachbarn nicht allzu sehr verärgen wollte, machte ich eine Pause und ging zu unserem Nussbaum. Seit einigen Tagen liefere ich mir dort mit den Eichhörnchen ein Wettrennen um die Walnüsse.
Später säge ich weiter. Der Stapel ist noch ganz schön groß.
Nach dem Holzsägen gibt es heute Leberwurstbrot.
Den Abend lasse ich mit einem Buch vor dem Kamin ausklingen. Die Mitbewohnerin hat mir das Buch „Der Reisende“ von Ulrich Alexander Boschwitz empfohlen – und, was soll ich sagen, es ist sehr spannend. Es erzählt davon, wie die Juden vor Ausbruch des Krieges behandelt wurden.
Bei der Brotzeit am späten Nachmittag fiel mir ein, dass die geräucherte fränkische Leberwurst auch in meiner Zeit bei der Bundeswehr eine wichtige Rolle gespielt hat.
Vor 35 Jahren begann mein Dienst bei der Bundeswehr exakt am 1. Oktober. Da dieser Tag jedoch ein Samstag war, brauchte ich erst am 3. Oktober zum Dienst erscheinen. Es war 1983 und es herrschte kalter Krieg. Das bekamen wir schon in der Grundausbildung immer wieder zu spüren: Ständig ging es um den Ernstfall.
Auf unserer Stube waren wir zu fünft: Einer kam aus dem Vogelsberg, einer aus Limburg, einer war Winzer aus Volkach und einer kam aus Saarbrücken. Dessen Vater kannte sogar Heroldsbach, da er einst am Main-Donau-Kanal mitgebaut hatte. Jeder erzählte etwas von sich und ich wollte vom Winzer wissen, wie eigentlich Wein hergestellt wird. Daraufhin erzählte er mir vieles, ich erinnere mich jedoch nur noch daran, dass er sagte, dass er viel lieber Bremser trinkt. Diesen gibt es im Herbst nur einen Monat lang.
In der darauf folgenden Woche brachte er einige Flaschen Bremser mit – und ich hatte geräucherte Leberwurst und ein Holzofenbrot dabei. Abends veranstalteten wir dann in unserer Stube ein Picknick. Nachdem wir den Bremser getrunken hatten, schliefen wir gut. Und die Leberwurst schmeckte allen so gut, dass ich jedes Wochenende etwas davon mitbrachte.
Später war ich in Hammelburg in der Kampftruppenschule stationiert. Auch dort versorgten wir uns mit Leberwurstbroten. Gegenüber vom Schlagbaum war ein Tante-Emma-Laden und immer, wenn wir mit unserem 5-Tonner auf dem Weg zum Munitionsdepot oder Treibstofflager waren, deckten wir uns dort mit ausreichend Leberwurstbroten für die Wache ein. Die waren nicht nur dick mit Leberwurst bestrichen, sondern auch mit Senf. Die Krönung waren die dünnen Scheiben Kümmerling, wie hier in Franken die Essiggurken genannt werden. Wenn uns dann die Fahrer das – meistens kalte – Kantinenessen in den Blechtonnen brachten, brauchten wir davon nicht mehr viel.