Denke ich an eine Reise durch die Karibik, erwarte ich strahlenden Sonnenschein, warmes Badewetter an weißen Stränden und brausende Wellen. Leider sind aber Antigua, Barbados, Grenada, Aruba oder Bonaire im Moment so weit entfernt, als lägen sie auf einem anderen Planeten. Daher reist die Nürnberger Hafenkneipe „Große Freiheit“ mit ihrem Online Rum-Tasting auf eine ganz besondere Weise: Jeder, der mitreisen möchte, bekommt ein mit Rumproben gefülltes Säckchen. Während Paule Felsing in seiner Kneipe steht und Seemannsgarn spinnt, überträgt die Kamera alle seine Geschichten direkt zu jedem, der via Internet verbunden ist.
Mit leeren Fässern in die Karibik
Jedes Jahr segelt die „Tres Hombres“, eine Brigantine, die über gerade einmal 40 Tonnen Ladekapazität verfügt, von Holland in die Karibik. Ihre Fracht auf diesem Weg sind leere Fässer, in denen einmal Armagnac, Madeira, Portwein, Sherry oder Wein gelagert war. Auf der Reise werden schließlich die leeren Fässer Fass für Fass mit gut gelagertem Rum aus La Palma, Barbados oder der Dominikanischen Republik gefüllt. Dieser bekommt somit auf der Rückreise noch ein Finish, einen zusätzlichen Hauch an Geschmack. Damit ihn auch diejenigen schmecken, denen Rum sonst nicht so über die Lippen kommt, erklärt Paule, was alles – ähnlich wie bei der Verkostung von Wein – irgendwo den Gaumen kitzelt.
Schoko, Kaffee oder pfeffrige Schärfe?
Zuvor jedoch gibt Paule noch ein paar Tipps: Wir sollen es uns gemütlich machen. Jeder für sich. Und genügend Zeit nehmen. Für jeden Rum ein extra Glas, zusätzlich noch ein Glas für Wasser bereitstellen. Der Rum darf ein bisschen warm werden, damit jeder unter der Zunge auch die ganz flüchtigen Substanzen schmecken kann. Ist der Rum geschluckt, gilt es, dem Nachklang nachzuspüren. Gut, das muss alles ein wenig trainiert werden, meint Paule. Aber die wichtigste Einteilung ist: Schmeckt oder schmeckt nicht. Schmeckt hervorragend, geht gerade mal so, oder ist einfach nur Rachenputzer.
Die leckerste Art Umweltschutz
Die Brigantine ist nur mit der Kraft des Windes unterwegs, ganz ohne Schweröl. Dafür dauert die Reise etwas länger. Aber das macht nichts, sagt Paule, der Rum und damit das Rum-Tasting wird dabei nur besser. Die Geschichte der „Tres Hombres“ klingt ein wenig, als würde Paule Seemannsgarn spinnen, doch es ist alles echt: Drei junge Segler trafen sich auf der MS „Europa“ und sind seit dieser Zeit befreundet. Die Brigantine selbst wurde dank der tatkräftigen Hilfe vieler Freiwilliger wieder seetüchtig. Seit 2010 bringt sie als Flaggschiff der ersten emissionsfreien Handelsflotte fair gehandelten Rum, Kaffee und Kakao aus der Karibik nach Europa. Ganze 32 Meter lang, mit 15 Mann Besatzung – unter denen selbstverständlich auch Frauen sein können – und zwischen 35 und 40 Tonnen Ladekapazität.
Gut zehntausend nautische Meilen
Als die „Tres Hombres“ im Herbst 2019 im Hafen von Den Helder den Anker lichtete und in See stach, war an Corona noch nicht zu denken. Über England, den Ärmelkanal, Frankreich, die Biskaya und die Kanaren ging es zu den karibischen Inseln. Am Kap Finisterre war der Seegang dramatisch, berichtet Paule. Zehn der fünfzehn Seeleute waren seekrank. Von diesen gehören sieben zur festen Crew, acht sind Trainees. In ihrer Unterkunft am Bug des Schiffes hat jeder gerade einmal zwei Quadratmeter Platz. Das reicht zum Schlafen und als Stauraum für den Seesack. Alles andere spielt sich auf Deck ab.
Die Große Freiheit in Nürnberg
Nürnberg liegt zwar nicht am Meer, hat aber mit der „Großen Freiheit“ eine echte Hafenkneipe. Paule Felsing ist dabei der Fels in der Brandung. Wäre keine Pandemie und die Kneipe geöffnet, fände das Rum-Tasting selbstverständlich dort statt. Doch es funktioniert auch online. „Ab zwanzig Teilnehmer können wir loslegen“, versichert Paule. Wer sich anmelden möchte, findet auf der Facebook-Seite die Termine. Karin Rabhansl begleitet die Reise musikalisch. Und da demnächst die Kneipen wieder öffnen dürfen, macht die Große Freiheit in Nürnberg klar Schiff.