Seit dem Mittelalter werden in und um Bamberg, Kronach und in Teilen des Frankenwaldes Seelenspitzen gebacken. Sie haben sich als echtes Brauchtumsgebäck etabliert und werden bis heute nicht nur an Allerseelen gebacken.

Gedenktag für die Verstorbenen

Die beiden Festtagen Allerheiligen und Allerseelen, also der 1. und der 2. November, sind Gedenktage für die bereits gestorbenen Menschen. An diesen Tagen gehen viele Menschen auf dem Friedhof, schmücken dort die Gräber der Verstorbenen ihrer Familien und stellen Lichter auf.
Während Allerheiligen ein Gedenktag für alle Heiligen und die Seelen derjenigen ist, die bereits im Himmel angekommen sind – ist Allerseelen Gedenktag für die armen Seelen, die noch im „Fegfeuer“ aushalten und geläutert werden müssen. So sagt es jedenfalls unser christlicher Glaube.

Seelenspitzen backen und verschenken

Zu Allerseelen werden hier in Oberfranken Seelenspitzen gebacken und verschenkt. Das ist ein traditionelles Gebäck, das bereits im Mittelalter gebacken und verschenkt wurde.

Auch wenn ich nicht weiß, ob sich mein gestorbener Sohn nun im Himmel oder im Fegfeuer befindet, entschließe ich mich, die Seelenspitzen zu Allerheiligen zu backen. Für mich ist Nikolai ein Heiliger – und damit im Himmel. Er ging immer sehr liebevoll mit seinen Mitmenschen um. Gleichzeitig war ihm die Wahrheit sehr wichtig. Er nahm lieber Nachteile in Kauf, verzichtete auf vieles und suchte die Schuld eher bei sich als bei anderen. Ihm war Versöhnung sehr wichtig.

Ursprünglich wurden die Seelenspitzen an Menschen verschenkt, damit sie für die Toten beteten. Sie wurden aber auch an Arme und Bedürftige ausgeteilt, den sogenannten „Seelenleuten“.

Da ich diesen Brauch sehr schön und tröstlich finde, backe ich Seelenspitzen für Nikolai und bitte damit um ein Gebet für ihn.

Es gibt immer wieder Menschen, die viel erleiden müssen.
„Tröste dich, denn auf der Welt gibt es immer noch einen, dem es schlimmer ergeht als dir“, solch einen Spruch gibt es oft als Trost von anderen Menschen – doch er tröstet nicht wirklich.

Das Schlimmste aber, das einem Menschen passieren kann, ist sicherlich der Tod des eigenen Kindes. Wie schmerzhaft muss es dann sein, wenn es nicht nur ein Kind, sondern mehrere betrifft. Diesen Grabstein entdeckte ich nur einen Steinwurf von unserem Familiengrab entfernt.

Grabstein

Er war alt und ich habe ihn bisher noch nie bemerkt, jedenfalls nicht bewusst. Jetzt blieb ich stehen. Auf dem grauen Stein standen vorne fünf Namen. Ich wunderte mich, schließlich sind bei uns die Namen und Daten der Verstorbenen hinten auf dem Grabstein eingemeißelt. Es war ein kleiner Grabstein, dachte ich, obwohl insgesamt fünf Namen auf ihm stehen. Ich besah mir die Daten und bemerkte dabei, dass alle noch kleine Kinder gewesen waren, als sie starben.

Dagegen trauere ich nur um einen Sohn, denke ich und irgendwie tröstet es mich, dass es offensichtlich noch härtere Schicksale als meines gibt. Ich fühle mich mit meinem Schmerz nicht alleine.

Inzwischen bleibe ich immer wieder einmal vor diesem Grab stehen, wenn ich mich auf dem Friedhof um das Grab meiner Mutter kümmere. Ob die Eltern der Kinder noch leben? Ich sehe die Sterbedaten und überlege, ob ich eines dieser Kinder gekannt haben könnte? War etwa ein Mädchen von ihnen mal in meiner Klasse? Das Grab ist immer ordentlich hergerichtet und bepflanzt.

Ein kleiner Schutzengel hält seine ewige Wacht. Es scheint, als wolle er sagen: Ihr seid zwar schon längst nicht mehr auf dieser Welt, doch ihr seid nicht vergessen. Es gibt jemanden, der euer Grab pflegt. Für den seid ihr wichtig, auch wenn ihr schon lange tot seid.

Das wünsche ich mir auch für meinen Sohn Nikolai und eigentlich für alle Verstorbenen.
Ein Sprichwort sagt: „Wer vergessen wird, der stirbt ein zweites Mal“.
Für mich stirbt er dann endgültig. Daher finde ich gut, dass es Tage wie Allerheiligen und Allerseelen gibt. An diesen können wir uns an unsere Verstorbenen erinnern. Solange wir sie nicht vergessen, sterben sie nicht endgültig.

Seelenspitzen

Seelenspitzen – werden auch Seelenzöpfe genannt

Zutaten:
500 g Mehl
100 g Zucker
2 Eier
1 geriebene Schale Zitrone
1 EL Vanillezucker (oder 1 Päckchen)
50 g Butter
1 Würfel Hefe
etwas Milch
1 Prise Salz
1 Schnapsglas Rum

Zutaten für Seelenspitzen

Für den Blätterteig 125 g kalte Butter

Für die Glasur:
Zitronensaft
Puderzucker

Zubereitung:
Hefe mit 1 Esslöffel Zucker und etwas handwarmer Milch ansetzen.
Mehl und alle anderen Zutaten in eine Schüssel geben. Mit einer Gabel langsam das Mehl einrühren und anschließend den Teig gut durchkneten.
Anschließend den Teig abgedeckt eine halbe Stunde im Kühlschrank gehen lassen. Den Teig nun rechteckig ausrollen und eine hälfte mit der kalten Butter belegen. Dazu die Butter in 2 mm dicke Scheiben schneiden.

Teig mit Butterstreifen belegen

Nun den Teig aufeinander legen.

Teig zusammenklappen

Der Teig wird nun ohne Druck ausgerollt und anschließend wieder übereinander geschlagen, insgesamt drei Mal.

Teig übereinanderschlagen und ohne Druck wieder ausrollen

Nun kommt der Teig wieder abgedeckt in den Kühlschrank stellen und nochmals gehen lassen. Anschließend den Teig ca. 1 cm dick ausrollen und in 1 cm dicke Streifen schneiden.

Teig in 1 cm dicke Streifen schneiden

Jeweils drei Teigstränge werden miteinander zu einem Zopf geflochten.

Aus den Blätterteigstreifen einen Zopf flechten

Die Zöpfe werden nun ca. 5 Minuten bei 200° C bei Ober- und Unterhitze gebacken. Dann die Temperatur auf 160 ° C zurückdrehen und die Seelenspitzen nochmals 10 Minuten goldgelb backen lassen.

Wenn sie abgekühlt sind, werden sie mit einer Zuckerglasur bestrichen.
Hier wird Zitronensaft mit dem Puderzucker zu einer zähen Masse verrührt und anschließend die Seelenspitzen bestrichen.

Seelenzöpfe mit einer Puderzuckerglasur bestreichen

Rezeptanleitung. Zum Herunterladen bitte anklicken.
Seelenspitzen pdf Rezeptanleitung

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